Donnerstag, 27. Dezember 2007

Kastratenjahrhundert

Karl redet mit Spiegelberg in einer Schenke irgendwo an der sächsischen Grenze. Karl stellt der gelehrten Abstraktion seiner Zeit die großen Taten der Antike gegenüber. Wir erfahren von Karls wildem Leben (Stinkereinen in Leipzig) und dass er nun hoch verschuldet ist. Dass ihm Gnade in dieser Schuldfrage verwehrt ist, sieht Karl als Zeichen für die Bigotterie des Christentums und damit der seinerzeitigen Gesellschaft. Ungestüm wie er ist, verallgemeinert er seinen Zorn gegen das Gesetz als Ganzes. Demgegenüber sieht er die Freiheit als Grundlage der menschlichen Größe. Spiegelberg zeigt die gleichen Sturm und Drang Motive, wie Karl, allerdings ist seine Rede nicht geprägt von im Grunde jugendlicher Gutherzigkeit, sondern von einer kriminellen Färbung. Er hat die Idee zu Gründung einer Räuberbande. Jedoch hat Karl bereits zuvor den Entschluss gefasst sich zu ändern, sobald er die positive Rückmeldung seines Vaters erhalten würde.
Diese hoffnungsvolle Erwartung wird durch die Antwort aus seinem Elternhaus enttäuscht. In seiner Wut und Verzweiflung, ob dieser Ungerechtigkeit, die ihn in seinen moralischen Grundfesten erschüttert, entschließt sich Karl der Räuberbande als Hauptmann zu dienen. Er will Rache nehmen, will aus dem Kreise des Gesetzes austreten, um die Menschlichkeit wiederherzustellen.

Auch Karl greift unabhängig von seinem Bruder Franz die Thematik der Blutliebe auf. Schiller realisiert hier seinen Vorsatz, den er in dem Vorwort bereits geäußert hat, die Seele des Menschen aufzugliedern. Das ewige Spannungsverhältnis im Menschen zwischen Körper und Geist, zwischen Sinnlichkeit und Vernunft wird hier in seinen Bestandteilen individualisiert, zu zwei verschiedenen Menschen aufgedröselt, um es flapsig auszudrücken. Karl sieht die Blutliebe nicht als nichtig, als ein Gespinst der unvernünftigen Menschheit an, ganz im Gegenteil: Karl sieht es als die "Liebe der Natur" an. Diese Liebe der Natur muss in allen Aspekten des Lebens aufrecht erhalten werden. Wenn ein Vater seinen Sohn aus diesem Bund entlässt sieht er es also als einen Verrat an der Menschlichkeit und der Natur.

Es stellt sich die Frage, ob Karls Entschluss der Räuberbande vorzustehen eine Kraftäußerung im Sinne des Sturm und Drangs ist. Zwar wird Handeln, im Kontrast zum Zaudern im Allgemeinen meist als stark empfunden, doch treibt Karl die Enttäuschung seiner Moralvorstellungen in diesen Entschluss. Daher würde ich persönlich die Frage verneinen. Wie seht Ihr das?

Noch eine Denkanregung: Wenn Karl von der Republik spricht, widerspricht das nicht seinem Wesen? Später beobachten wir immer wieder seine despotische Neigung, seinen Hang zum Herrischen gegenüber seinen Männern. Sprach derselbe Karl doch noch wenige Zeilen zuvor von der Größe des Menschen durch die Freiheit. Ob er mit der Grundlage der Demokratie, dem Kompromiss zurande käme?

Was ist mit dem Geist Hermanns gemeint?

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