Mittwoch, 14. November 2007

Der Teufel der unerwiderten Liebe

Zum Vorwort:

Wer es einmal so weit gebracht hat, (ein Ruhm, den wir ihm nicht beneiden) seinen Verstand auf Unkosten seines Herzens zu verfeinern, dem ist das Heiligste nicht heilig mehr - dem ist die Menschheit, die Gottheit nichts – Beide Welten sind nichts in seinen Augen“
Herausheben möchte ich dieses Zitat, weil es meine tiefste Geistes-, ja fast schon Glaubenshaltung widerspiegelt und in einer Prägnanz, aber doch Unmissverständlichkeit artikuliert ist, wie ich Vergleichbares selten finde.

Doch nun zur Pflichtübung:

Der Inhalt ist im Grunde in den übrigen Blogs zur Genüge beschrieben: Der zweitgeborene Sohn Franz umspinnt seinen Vater, den Alten Moor, mit einem Netz aus Lug und Trug, um die emotionale und weltliche Verbindung zwischen dem Vater und dem Erstgeborenen Karl zu kappen. Franz will sich dadurch das Erbe des alten Mannes erschleichen.
Der Titel dieses Posts „Der Teufel der unerwiderten Liebe“ würde mit einem angehängten Fragezeichen, vermutlich die Frage besser beschreiben, die sich mir während der Lektüre des ersten Kapitels stellte. Da allerdings die Aufgabe eines Titels darin besteht, den potenziellen Leser sofort in seinen Bann zu schlagen, wollte ich dem Titel seinen provokanten Charakter nicht nehmen.
Der erste Eindruck legt mir nahe, dass der Charakter des Franz weit davon entfernt ist, eine naiv eindimensional von Natur aus böswillige Gestalt zu sein. Vielmehr wird deutlich, dass Franz sich aufgrund seines Aussehens und seines Standes als zweitgeborener Sohn gegenüber seinem Bruder benachteiligt fühlt. Wenn Franz die Liebe beklagt, die er während seiner Jugend entbehrte und stattdessen Karl zuteil wurde, wird deutlich, wie nah Liebe und Hass beieinander liegen. Wobei zu fragen wäre, ob Franzens Haltung nicht gar schon an Gleichgültigkeit gegenüber seinen Verwandten grenzt.
Das ist freilich nur ein Teilausschnitt aus den Gedanken, die diese Textpassage initiiert, aber es is schon spät...

Anmerkungen:

- Auch nachdem ich das Stück jetzt durchgelesen habe, weiß ich noch immer nicht, was es mit dem angedeuteten Familienfluch auf sich hat. So beklagt der Vater, dass sich dieses schlimme Schicksal bis in die zweite und dritte Generation durchziehen würde. Kann mir darauf jemand eine Antwort geben oder habe ich nichts übersehen und es bleibt nur eine Andeutung?

- Ganz groß finde ich, wie Schiller Karls erwähnte Tugenden durch Franzens Überlegungen, bezüglich der Blutbundes zwischen Eltern, speziell zwischen Vater und Sohn, entgegenstellt.
Ein absolut konsequent gedachter aufgeklärter Materialismus führt zur Demontage dieser Instanz im Namen der Vernunft und führt zu seinem Schluss, dass das einzige Ziel eines jeden die eigene, persönliche Besserstellung sein muss. Indem man alles im Sinne der Sophisten in Fragestellt, entsteht absolute Beliebigkeit. Franz löst das durch sein Streben auf individuelle Besserstellung, für ihn gleichbedeutend mit Macht. Inzwischen bin ich nämlich zu der Auffassung gelangt, dass Franz nicht aus Hass, sondern wie ich zuvor schon vermutete, aus reinem Machtstreben handelt. Besonders deutlich zeigt sich das für mich in der Betrachtung seiner Gedanken über seine geplante Liaison (schreibt man das wirklich so?) mit Amalia. Er spricht nicht von enttäuschter Liebe, sondern sagt: "und ihr muss ich diesen Karl aus dem Herzen reißen." (Seitenangaben spare ich mir, denn ich besitze nicht die Reclam-Ausgabe)

- Kurz hinweisen möchte ich noch auf die Rolle des Vaters, die mir nicht allzu gelungen scheint. Seine Bedeutung beschränkt sich hauptsächlich darauf, die beschriebene Situation herbeizuführen. Wie, scheint eher sekundär: Zum einen müsste der Vater seinen Sohn besser kennen, als dass er die Fälschung von Franz so unhinterfragt annimmt. Zum anderen stellt sich mir die Frage, wie selbst ein so seniler Alter die zuvor mehrmals betonte Tatsache ignorieren kann, dass der Aufenthaltsort Karls niemandem bekannt sei. Trotzdem entschließt er sich dem Sohn, der sich auf der Flucht befinden soll, einen Brief zu schicken.

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